Bewegungsapparat

Muskulatur und Muskelaufbau des Pferdes

Muskulatur gibt dem Pferd seine Form, macht es bewegungsfähig, lässt es atmen, das Herz schlagen und verdauen. Durch Muskulatur kann das Pferd in der Passage dahinschweben, springen oder auch über die Weide rennen. Die Muskulatur macht das Pferd zu dem, was es ist: Wunderschön. Und daher sollte der Reiter und Pferdebesitzer bei Muskelproblemen des Pferdes auch genauer hinschauen. Denn diese können sehr viele Gründe haben.
Allgemein Bedeutung und Aufgaben der Muskulatur des Pferdes

Die Muskulatur eines Körpers hat viele Aufgaben. Sie dient der Stabilität des gesamten Körpers, ihrer Bewegungsfähigkeit und natürlich auch der Grundfunktion aller Lebenssysteme wie zum Beispiel Herz, Lunge und Darm. Muskulatur ist ein Zellgewebe aus Wasser und Aminosäuren, die sich mithilfe von Mengen-, Spurenelementen und Vitaminen zu Proteinen formen. Um lebensfähig und aktiv zu bleiben, finden in und aus der Muskulatur heraus verschiedene Stoffwechselprozesse statt. Eine gesunde Muskulatur benötigt Nährstoffe für Bewegung und natürlich zur Selbsterhaltung. Daher gehört der Muskelzellstoffwechsel zu den Grundstoffwechseln eines Pferdes. Muskeln bestehen aus Sarkomeren. Dies sind die kleinsten, eigenständigen Funktionseinheiten, die aus Zellen gebildet werden. Sarkomere bestehen unter anderem aus Myosin und Aktin. Beides sind sogenannte Motorproteine, die wie der Name schon sagt, Bewegungsfähigkeit ermöglichen. Sarkomere bilden in Reihe sogenannte Myofibrillen. Das bedeutet, dass viele Sarkomere aneinandergereiht und ein dreidimensionales Gebilde formen. Viele dieser Myofibrillen formen sich zu Muskelfasern. Die Muskelfasern fassen sich zu starken Muskelsträngen zusammen die durch Fasziengewebe, also Bindegewebe, von anderen Muskelsträngen getrennt werden. Das macht sie einzeln Gleit- und Bewegungsfähig. Die Bewegung besteht aus Be- und Entladung der Sarkomere und wird durch die Reizleiteraktivität der Neven angeregt. In den Muskelzellen der Sarkomere wird der „Treibstoff“ der Muskulatur verbrannt und das sogenannte Adenosintriphosphat (ATP) in einem recht komplizierten chemischen Prozess produziert. Dieser Prozess wird weitläufig als „Zellatmung“ bezeichnet, da der Körper mit Hilfe von Sauerstoff, flüchtigen Fettsäuren (die er aus dem Darm aufnimmt) und Glucose nun ATP produziert. Das ATP liegt als Energiespeicher für die spätere Verwendung in der Muskelzelle. Bei Bewegung wird das ATP verbraucht.

Arten Die unterschiedlichen Arten der Muskulatur

Es gibt unterschiedliche Arten von Muskulatur: die (quer-)gestreifte und die glatte Muskulatur. Die quergestreifte Muskulatur ist die Skelettmuskulatur des Bewegungsapparates. Sie kann sehr lang oder auch kräftig und voluminös sein. Gute Beispiele dafür ist der lange Rückenmuskel im Vergleich zu der starken Schultermuskulatur oder der Behosung der Hinterhand. Ihr gegenüber steht die glatte Muskulatur, z.B. der Verdauungsorgane. Wie der Name schon sagt, handelt es sich hier um eine eher feine und flache Muskulatur. Während die Kontraktion der quergestreiften Skelettmuskulatur eher stark und gleichmäßig ist, kontrahiert die glatte Muskulatur eher fein und beinahe vibrierend

Eine Besonderheit stellt der Herzmuskel dar. Dieser gehört zur gestreiften Muskulatur, ist aber etwas dichter gewebt und zeigt auch Eigenschaften der glatten Muskulatur. Die quergestreifte Skelettmuskulatur kann man grob in zwei unterschiedliche Gruppen einteilen: Die langsam kontrahierende Muskulatur und die schnell kontrahierende Muskulatur. Pferde haben immer beide dieser Arten. Bei manchen Rassen, wie zum Beispiel dem Vollblut, ist aber die schnell kontrahierende Muskulatur stärker ausgeprägt. Das macht sie zu schnellen Sprintern. Bei Rassen wie den Kaltblütern ist die langsam kontrahierende Muskulatur vorherrschend. Sie eignen sich daher besser zu langer und ausdauernder Arbeit in ruhigem Tempo. Pferde, bei denen ein Muskeltyp dominiert, unterscheiden sich deutlich im Bedarf. Pferde mit mehr schnell kontrahierender Muskulatur benötigen oft eher schnell verfügbare Kohlenhydrate. Steigt der Energiebedarf über die Erhaltung, kann die Gabe von z.B. Getreide nötig sein. Das liegt unter anderem am großen Energieumschlag in diesen Muskelzellen. Gleichzeitig ist die Energiespeicherkapazität bei diesen Pferden geringer als bei Pferden, die eher langsam kontrahierende Muskulatur haben. Diese können im ruhigen Tempo sehr gut Energie verbrauchen und gleichzeitig den „Treibstoff“ ATP in beinahe gleicher Menge produzieren. Dieses Gleichmaß an Produktion und Verbrauch nennt man auch aeroben Stoffwechsel, da das Pferd für diese chemischen Prozesse ausreichend Atemluft aufnehmen kann. Hat das Pferd ausreichend Glucose und flüchtige Fettsäuren zur Verfügung, kann es sehr lange Strecken bewältigen. Wenn ein Pferd sprintet, gerät es hingegen schnell in den sogenannten anaeroben Stoffwechsel, da die Aufnahmekapazität der Lunge nicht ausreicht, um genug Sauerstoff zur Energieproduktion durch die Lunge in den Blutstrom zu befördern. Meistens sind auch die vorhandenen Mengen an Glucose und die Produktion von flüchtigen Fettsäuren aus dem Darm endlich. 

Neben ausreichend Nährstoffen wie Glucose und den flüchtigen Fettsäuren benötigt das Pferd für Bewegungsfähigkeit noch ausreichend Kalzium. Kalzium ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Muskelzellen durch die Nerven angesprochen werden können. Man spricht dabei von der sogenannten Reizleiteraktivität. Während Kalzium für die notwendige Aufrechterhaltung der Leitfähigkeit sorgt, benötigt der Körper Magnesium zur aktiven Entspannung der Muskulatur. Darüber hinaus ist einer der grundsätzlichen Zellstoffwechsel zum Transport von sekundären Stoffen und Versorgung der Zelle an sich der stetige Austausch von Natrium- und Kaliumionen in und aus der Zelle. Einerseits regeln diese Elemente den pH-Wert innerhalb und außerhalb der Zelle, auf der anderen Seite dienen sie als Transporter für weitere Nährstoffe. Diese braucht die Zelle auch um gesund zu bleiben. Dazu gehören die bekannten Antioxidantien Vitamin E, Vitamin C und Selen. Sie sorgen für den Schutz der Zellmembran. Trotzdem hat eine Muskelzelle nur eine beschränkte Lebensdauer und wird nach einer Weile durch eine neue Zelle ersetzt. Dieser normale Verschleiß und auch die Neubildung ist ein normaler Lebensprozess. Um diesen normalen Verschleiß abzufangen, benötigt das Pferd alle Nährstoffe, die zur Bildung dieser Zelle notwendig sind. Daher nutzt das Pferd einen nicht unerheblichen Teil der aufgenommenen Aminosäuren und Proteine sowie Mengen- und Spurenelemente und Vitamine zur stetigen Neuformung von Muskulatur. Die Menge der Muskelzellen beim Pferd ist genetisch vorbestimmt. Man kann Muskulatur nicht „anfüttern“. Es wird also nicht mehr werden, wenn man bestimmte Substanzen über den Bedarf füttert. Muskulatur vergrößert sich lediglich im Diameter der Sarkomere und Myofibrillen. Das bedeutet, dass durch gezieltes Training, die Arbeitskapazität und auch der Energieumschlag der Zellen vergrößert wird. Dadurch vergrößert sich jede einzelne Muskelzelle, was optisch zu einer „besseren Bemuskelung“ führt. Auch die Leistungsfähigkeit verbessert sich dadurch natürlich. Je gesünder die Muskulatur ist und je regelmäßiger ein sinnvolles Training erfolgt, desto besser funktioniert auch die Zellneubildung sowie der Austausch von Nährstoffen in und aus der Zelle. Ist das Pferd nicht gut versorgt oder leidet es unter einer Muskelerkrankung sind allerdings Probleme vorprogrammiert.

Symptome Muskelerkrankungen: Symptome von Muskelproblemen beim Pferd

Muskelprobleme bei Pferden können sehr unterschiedliche Ursachen haben. Zunächst sollte daher festgestellt werden, was das eigentliche Problem ist und wie es sich äußert. Ob Muskelverlust, Festigkeit, Muskelkrämpfe, schwere Widersetzlichkeit oder sogar Kreuzverschläge – die Liste der Muskelsymptome oder Muskelerkrankungen (Myopathien) ist lang. Viele Pferde zeigen große Abwehr gegen Reiter und Sattel, sind auffällig gestresst, aggressiv oder sehr lethargisch. Manche zeigen unspezifische Lahmheiten oder Taktunreinheiten

Viele Pferde mit Myopathien sind sehr kolikanfällig, neigen zu Herzproblemen und Ödemen. Es ist wichtig, dass man bei Pferden mit Auffälligkeiten in der Muskulatur stets das Gesamtbild im Auge behält. Ansonsten werden schwerwiegende Erkrankungen oder sogar genetische Erkrankungen übersehen, was dem Pferd schwer schaden kann. Pferde mit Myopathien zeigen oft veränderte Blutwerte. Der Creatinkinasewert (CK) und der LDH-Wert sind stark erhöht. Die Creatinkinase ist eine Substanz die bei Muskelzellverlust freigesetzt wird. Auch weitere erhöhte Leberwerte können auf sekundäre Muskelprobleme hinweisen, vor allem dann, wenn die Muskelprobleme durch Fehlernährung indiziert werden. Bei diesen Pferden sowie bei Pferden mit genetischen Erkrankungen sind auch die Nierenwerte häufig auffällig, da freigesetztes Myoglobin aus den verlorenen Muskelzellen in großer Menge nierentoxisch wirkt. Bei Kreuzverschlägen sind die Entwicklungen häufig rasant. Die Pferde zeigen eine komplett verhärtete Muskulatur, zittern, legen sich ab und können auch nicht wieder aufstehen. Sie schwitzen stark und sind schlussendlich bewegungsunfähig. Egal ob leichte Festigkeit der Muskulatur oder schwerwiegende Symptomatik: Wichtig ist eine umfassende Diagnostik des Pferdes.

Ursachen Ursachen für den Abbau von Muskulatur beim Pferd und weitere Muskelerkrankungen

Muskelt das Pferd ab, kann das verschiedene Ursachen haben. Die einfachste Ursache ist eine unsachgemäße Fütterung und ein dadurch erzeugter Mangel an Eiweiß. Viele Jahre ist man davon ausgegangen, dass ein Eiweißmangel bei Pferden nicht vorkommt. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass besonders Pferdeheu auch sehr eiweißarm sein kann. Nimmt das Pferd nicht ausreichend auf, gerät es in einen Eiweißmangel und kann das eigene Gewebe nicht mehr adäquat ersetzen. Die Folge ist eine gewisse Festigkeit der Muskulatur, Lethargie und Muskelabbau. Sehr blütige Pferde reagieren auf diese Prozesse auch gelegentlich mit großer Aufregung und Panikattacken

Neben Eiweiß kann auch ein großes Kohlenhydratdefizit zum Muskelverlust führen, zum Beispiel durch unsachgemäße Radikaldiäten. Statt Kohlenhydrate nutzt das Pferd neben Körperfett nun auch körpereigene Eiweiße, die es in der Leber zu Glucose umwandelt. Auch eine schlecht bilanzierte Ration mit Defiziten bei den Mengen- und Spurenelementen sowie den Vitaminen kann Muskelprobleme auslösen. Darüber hinaus ist auch Übertraining ein häufiger Grund für Muskelverlust. Wird ein Pferd zu stark (z.B. intensiv 7 Tage pro Woche) gearbeitet, hat die Muskulatur keine Möglichkeit zur Erholung und zum Wachstum. Vor allem anaerobe Leistung kostet Muskelzellmasse. Daher sollten Pferde ausreichend Möglichkeiten bekommen, ihr Zellgewebe aufzubauen. Natürlich kann auch ein trainings- oder fütterungsindizierter Kreuzverschlag auftreten. Die sogenannte „Monday Morning Disease“ beschreibt einen Zustand bei dem das Pferd nach schwerer Arbeit am Wochenende und großen Kraftfuttermengen bei falschem Trainings- und Haltungsmanagement (Boxenruhe) einen Kreuzverschlag entwickelt. Auch die atypischeWeidemyopathie, eine Vergiftung durch Hypoglycin-A aus z.B. Ahornsamen verschiedener Arten gehört zu dem Muskelerkrankungen. Typisch hierfür ist ein rasanter Zellverlust, Vergiftungserscheinungen und eine starke Immobilität. Die Überlebenschancen sind sehr gering. Nach einer Hypoglycin-A-Vergiftung bleiben in der Regel Langzeitschäden zurück. 

Ein weiterer Grund für Muskelerkrankungen kann in der Genetik des Pferdes liegen. Besonders stark bemuskelte Rassen neigen zu einer genetischen Varianz: „Polysaccharid Speicher Myopathie“ (PSSM) die es heute in verschiedenen Formen gibt. Man unterscheidet aktuell in PSSM1 sowie verschiedene Formen des PSSM2. Es gibt keine Heilung für PSSM. Die meisten dieser Pferde können aber unter einem guten Haltungs- und Fütterungsmanagement zumindest gute Freizeitpferde sein. Ob sie sportlich genutzt werden können, muss im Einzelfall entschieden werden. Eine weitere genetische Muskelerkrankungen ist die Hyperkaliämische Periodische Paralyse (HYPP). Sie ist ebenfalls nicht heilbar und tritt vor allem bei Quarter Horses, Paint Horses und Appaloosas auf. Pferde mit dieser Erkrankung werden seit Jahren aus der Zucht ausselektiert, um eine weitere Verbreitung zu vermeiden. Diese Pferde leiden unter krampfigen Anfällen, Muskelzittern und Kreislaufkollaps. Diese Pferde benötigen besondere Haltungs- und Fütterungssorgfalt.

Behandlung & Prävention Probleme der Muskeln beim Pferd: Was man tun kann

Bei Muskelproblemen des Pferdes muss zunächst der Grund gefunden werden. Danach richtet sich sowohl die Fütterung als auch das Management. Durch die verschiedenen Auslöser und Verläufe muss der Pferdebesitzer besondere Sorgfalt walten lassen.

Die beste Prävention von Muskelproblemen ist eine gute und genaue Fütterung sowie ein sinnvolles Training und ein gutes Haltungsmanagement. Kommt es trotz Optimierung dieser drei Faktoren zu Muskelproblemen, sollte auch die Möglichkeit der genetischen Erkrankungen mit in Betracht gezogen werden. Denn während man lange Jahre davon ausgegangen ist, dass vor allem PSSM eine Erkrankung von „Westernrassen“ ist, weiß man heute, dass PSSM in allen Formen auch bei allen Rassen auftreten kann.

FAQ

Häufige Fragen

Für einen guten Muskelaufbau und Muskelerhalt benötigt das Pferd ausreichend Eiweiß in der Ration. Wenn Eiweiß fehlt, kommt es zu Muskelverlust. Neben Eiweiß benötigt das Pferd auch ausreichend Mengen- und Spurenelemente sowie alle notwendigen Vitamine. Daher ist es sinnvoll eine gute Rationsbilanz zu erstellen und damit zu überprüfen, ob dem Pferd ein wichtiger Nährstoff fehlt. Eine Fütterung von stark eiweißhaltigen Futtermitteln ohne genaue Kenntnis der aktuellen Ration schadet aber mehr als es nützt. Zu viel Eiweiß in der Ration kann zu Nierenproblemen führen. Hat das Pferd ausreichend Eiweiß in der Ration und baut trotz gutem Training keine Muskeln auf, kann auch eine ernste Erkrankung dahinterstecken. Daher ist die Rationsbilanzierung unumgänglich.ie verschiedenen Muskeln beim Pferd: HTML-Tag: h2
Wenn ein Pferd ausreichend Nährstoffe und einen vernünftigen Trainingsplan hat, dauert es mindestens sechs Wochen, bis ein Muskelaufbau wirklich sichtbar wird. Häufig wird mit schnellen Ergebnissen geworben. Meist handelt es sich allerdings eher um einen Fettaufbau und eine Wassereinlagerung. Muskulatur wächst nur langsam. Daher sollte man nach einer Futteranpassung geduldig sein.