Bodenarbeit ist, wie der Name schon sagt, jede Art von Training mit dem Pferd, bei dem der Mensch das Pferd vom Boden aus begleitet und anleitet, statt es zu reiten. Das Ziel der Bodenarbeit ist meist, die Beziehung zwischen Mensch und Pferd zu verbessern und das Vertrauen zu stärken. Aber auch die Erarbeitung von Lektionen oder Übungen für den Muskelaufbau sind Bestandteil der Bodenarbeit. Ob Führtraining für den Grundgehorsam, Dressurtraining an der Hand oder Übungen für mehr Vertrauen und Gelassenheit: Bodenarbeit eignet sich für alle Disziplinen, für Anfänger und Fortgeschrittene, für Jungpferde und alte Hasen. Außerdem bietet das Training zu Fuß eine tolle Abwechslung für Pferd und Mensch im Stallalltag und vertieft die Freundschaft zwischen Zwei- und Vierbeiner.
Um die Kommunikation zwischen Pferd und Mensch bei der Arbeit am Boden zu erleichtern, gibt es speziell für die Bodenarbeit entwickeltes Zubehör: die Doppellonge, das Bodenarbeitsseil, das Knotenhalfter oder der Kontaktstock gehören u.a. zum Equipment, welches Zweibeinern dabei helfen soll, sich verständlich zu machen.
Stichwort Verständnis: Sprechen Pferd und Mensch am Boden eine gemeinsame Sprache, verstehen sie sich auch beim Reiten besser. Bodenarbeit sollte also ein fester Bestandteil des Alltages sein, da sie beim Pferd die Aufmerksamkeit, Konzentration und Motivation erhöht und zur Gymnastizierung des Pferdes beiträgt. Und, last but not least: Bodenarbeit ist immer auch Beziehungsarbeit. Welche Übungen sich für die Bodenarbeit empfehlen, wie Pferd und Mensch mehr Gelassenheit und Vertrauen erreichen und welches Zubehör sich für die Bodenarbeit am besten eignet, verrät dieser Ratgeber.
Horsemanship, Pirelli, Gelassenheitstraining, Anti-Schreck-Training, Zirzensik, Freiarbeit – im Zusammenhang mit Bodenarbeit tauchen eine Menge Begriffe auf, die Anfänger zunächst erstmal überfordern mögen. Doch nur Mut! Für die ersten kleinen Schritte braucht es nicht viel. Wer noch unentschlossen ist, wie denn nun anfangen mit der Bodenarbeit, sollte sich zunächst die Frage stellen, welches Ziel mit der Bodenarbeit erreicht werden soll. Ziele der Bodenarbeit könnten beispielsweise sein:
Bevor das Training unter dem Reiter beginnt, sollten schon junge Pferde am Boden ausgebildet werden. Je mehr die Basics sitzen, desto einfacher gestaltet sich auch der Umgang mit dem Pferd unter dem Sattel und im Alltag in der Zukunft. Wurde das Erlernen von Grundlagen bei der Ausbildung des jungen Pferdes verpasst, heißt es: Nachsitzen. Um Schritt für Schritt die Kommunikation zwischen Mensch und Pferd zu verbessern.
Das klassische Führtraining und Gehorsamkeitstraining beginnt mit dem Erlernen einiger Grundkommandos. Zum Beispiel:
Erst wenn der Grundgehorsam sitzt, kann das Training weiter ausgebaut werden. Das Pferd steht ruhig am Anbinder? Es drängelt nicht beim Führen, lässt sich nicht ziehen oder eilt voraus? Es reagiert auf seinen Namen, kann Lob und Tadel unterscheiden, lässt sich überall anfassen und zeigt keinen Widerwillen beim Anlegen von Zubehör oder Hufegeben? Dann ist das Kapitel Grundgehorsam erfolgreich abgeschlossen. Und die nächste Stufe der Bodenarbeit kann beginnen!
Mähdrescher? Flatternde Plastiktüte? Hübsche Blümchen auf dem Richtertisch? Bellende Hunde am Wegesrand? Folgen sie ihrem Instinkt, kennen die Fluchttiere bei solchen Herausforderungen oft kein Halten mehr. Gelassenheit ist daher eine wertvolle Pferde-Stärke, die es zu trainieren gilt.
Einige Vierbeiner bringen von Hause aus mehr Lebensversicherungs-Gene mit als andere, denen die Schreckschraube offenbar im Blut liegt. Doch mit entsprechenden Übungen und Geduld beim Training, lassen sich Gelassenheit und Vertrauen selbst beim Fluchttier Pferd enorm steigern.
Das Scheutraining beginnt, wie das Gehorsamkeitstraining auch, Schritt für Schritt. Und fängt beim Menschen an. Denn um das Vertrauen des Pferdes zu gewinnen, muss erstmal ein vertrauenswürdiger Partner parat sein. In der Herde kann das Pferd auf seine Artgenossen zählen. Ist es auf den Menschen angewiesen, macht das Pferd sein Vertrauen vom Wesen des Menschen abhängig. Tritt er souverän auf? Weiß er, was er will? Erkennt er mögliche Gefahren? Reagiert er gelassen? Tut er mir weh? All das – und noch viel mehr – sind Faktoren, welche eine Rolle bei der Entscheidung des Pferdes spielen, wenn es die „Vertrauensfrage“ stellt. Wer also zum Beispiel ein Anti-Schreck-Training mit dem Pferd durchführen will, sollte zunächst seine eigene Vertrauenswürdigkeit auf den Prüfstand stellen. Wer selbst Angst hat, wird seinem Pferd keine starke Schulter beim Gelassenheitstraining bieten können. Wer schnell aufgibt oder sogar aus der Haut fährt, ist ebenfalls kein überzeugender Leittier-Ersatz.
Deswegen: Durchatmen, locker machen und nicht zu verbissen rangehen. Bodenarbeit kann und soll Pferd und Mensch Spaß machen!
Übrigens: Gelassenheitstraining und Anti-Schreck-Training gehen Hand in Hand – wobei „Gelassenheit“ vielleicht eher ein Lebensgefühl im Umgang von Pferd und Mensch beschreibt und sich „Anti-Schreck-Training“ auf Übungen mit konkreten „Schreckgespenstern“ wie Planen, Regenschirmen oder Flatterbändern beschränkt. Eine gelassene Herangehensweise ist bei allen Übungen, welche die Bindung stärken sollen, Pflicht für den Zweibeiner.
Wer sich auch außerhalb des Trainingsortes souverän, verlässlich und gelassen zeigt, gewinnt schnell das Vertrauen seines Pferdes. Was mit dem neugierigen und geduldigen Erkunden einzelner „Schreckgespenster“ beginnt, kann dann zum Training im Gelassenheitsparcours führen – Schritt für Schritt von der „Schreckschraube“ zur „Lebensversicherung“.
Pferde sind von Hause aus neugierig und meist auch: verfressen. Setzen Sie auf diese beiden Faktoren beim Gelassenheitstraining. Statten Sie das Pferd mit einem stabilen Halfter und Strick oder einer Trense aus und gehen Sie gemeinsam mit dem Pferd entschlossenen Schrittes in Richtung des „Schreckgespenst“. Zögert Ihr Pferd lassen Sie ihm Zeit. Drängen Sie es nicht, sondern machen Sie ihm Mut: Sobald es einen Schritt in die richtige Richtung macht, loben Sie es. Mit Stimme, Streicheln oder Leckerli. Ziehen Sie Kreise um das „Objekt des Grauens“, nähern Sie sich ihm gelassen, ohne Druck. Hat Ihr Pferd sich herangetraut, loben Sie es erneut ausgiebig. Lassen Sie es am Objekt schnuppern (und loben Sie es sofort begeistert, wenn es sich das traut) und verweilen Sie mit dem Pferd eine Zeit lang in unmittelbarer Nähe des Objekts. Ist es dort entspannt, können Sie weiter gehen: Es mit einer Plastiktüte vorsichtig berühren, das Pferd einen Huf auf eine Plane setzen lassen etc.. Lassen Sie sich nicht verunsichern, wenn das Pferd sich erschreckt, reagieren Sie gelassen und fangen Sie geduldig von vorne an.
Passen Sie die Trainingsgeschwindigkeit dem Tempo Ihres Pferdes an. Manche Pferde brauchen mehrere Einheiten, bis sie sich auch nur in die Nähe des Objektes trauen. Andere wiederum gehen das Ganze mit mehr Gelassenheit an. Geduld ist bei der Bodenarbeit ein wichtiger Erfolgsfaktor. Apropos Erfolg: Beenden Sie das Anti-Schreck-Training mit einem Erfolg fürs Pferd, sei er noch so klein – so wird es beim nächsten Mal mit größerer Motivation starten.
Bei jungen Pferden, nach Krankheiten oder als Ergänzung im Alltag mit dem Reitpferd, ist Bodenarbeit auch hervorragend zum Muskelaufbau geeignet.
Dafür bieten sich folgende Möglichkeiten:
Sollen feste Stangen überwunden werden, kann die Höhe mithilfe von einem Stangenblock variiert werden. Die Arbeit mit Stangen am Boden eignet sich bestens für den Muskelaufbau an Hinterhand und Rücken und hilft dabei, die Koordination des Pferdes zu verbessern.
Auf dem Markt gibt es eine breite Palette an Zubehör, welches Pferd und Mensch die Zusammenarbeit jenseits des Sattels erleichtern soll. Die Ansprüche ans Material sind dabei hoch: Immerhin sollte das Equipment einerseits eine hohe Haltbarkeit, Stabilität und Sicherheit bieten, andererseits auch eine feine Kommunikation zwischen Vier- und Zweibeiner bei der Bodenarbeit ermöglichen. Zur Grundausrüstung für die Bodenarbeit gehören:
Ein klassisches Stallhalfter ist für die Bodenarbeit wenig geeignet. Es ist in der Wirkung zu wenig punktgenau, die Kommunikation wird schwammig. Besser: das Knotenhalfter. Das Knotenhalfter überträgt punktuellen Druck genauer und ermöglicht so eine feine Kommunikation. Das Knotenhalfter ist individuell anpassbar und sollte aus stabilem, reißfestem, aber gleichzeitig weichem Material gefertigt sein. Beim Anpassen des Knotenhalfter sollte darauf geachtet werden, dass:
Vor und der nach der Bodenarbeit, zum Beispiel am Putzplatz, sollte das Pferd sein normales Stallhalfter tragen. Zum Anbinden ist das Knotenhalfter nicht geeignet! Als präzises Kommunikationsmittel bei der Bodenarbeit und beim Horsemanship erfreut sich das Knotenhalfter jedoch aus guten Gründen großer Beliebtheit.
Als Zubehör für die Bodenarbeit ist der Kappzaum ein echter Tausendsassa. Im Gegensatz zur klassischen Trense wirkt der Kappzaum über das Nasenbein, den Oberkiefer und über das Genick statt über das Maul des Pferdes ein. In der Regel ist der Kappzaum mit drei Ringen ausgestattet, an denen der Strick, die Zügel oder die Longe befestigt wird.
Der Kappzaum eignet sich zum Longieren an der einfachen Longe und an der Doppellonge, zum Führen, zur Gymnastizierung und für lösende und versammelnde Übungen. Auch zum Reiten ist der Kappzaum geeignet. Der Kappzaum ist aus Stoff, Nylon oder Leder gefertigt und mit oder ohne Naseneisen ausgestattet. Häufig sorgt eine Polsterung für zusätzlichen Komfort, insbesondere beim Kappzaum aus Nylon.Kappzäume mit Naseneisen eignen sich nicht für Anfänger bei der Bodenarbeit, da starker Druck im Bereich des Nasenbeines beim Pferd zu Verletzungen führen kann.
Wichtig ist die Passform des Kappzaums, damit eine präzise Einwirkung möglich ist.Bei der Verschnallung des Kappzaum sollte Folgendes beachtet werden:
Ein Bodenarbeitsseil unterscheidet sich vom klassischen Führstrick in einigen Punkten. Mit einer Länge von mindestens 3m ist es deutlich länger und ermöglicht so mehr Spielraum bei der Bodenarbeit. Während bei reinem Führtraining eine Länge von 3m ausreichend ist, sollte bei der Arbeit mit Stangen oder Dualgassen eine längere Ausführung gewählt werden.
Häufig ist das Bodenarbeitsseil mit einer doppelten Lederklatsche am Ende ausgestattet und wird mit einem Karabinerhaken oder Panikhaken geschlossen. Ein Bodenarbeitsseil sollte nicht zu leicht sein, um die Signale präzise ans Pferd weiterzugeben aber auch nicht zu schwer, damit kein permanenter Zug auf den Pferdekopf ausgeübt wird.
Die Longe wird vor allem beim klassischen Longieren auf dem Platz oder im Roundpen eingesetzt. Auch beim Reiten, insbesondere beim Anfängerunterricht ist die Longe ein beliebtes Zubehör.
Sie wird mit einem Haken oder einer Lederschlaufe an der Trense oder am Kappzaum befestigt oder über eine Longierbrille mit der Trense verbunden. Die 8m lange Leine ist meist aus Nylon oder Baumwolle gefertigt und mit einer Handschlaufe am Ende versehen. Die Longe ist der Klassiker des Pferdetrainings am Boden – für das Führtraining oder bei der Erarbeitung von Lektionen an der Hand eignet sie sich jedoch aufgrund ihrer Länge nur bedingt. Hier ist ein Bodenarbeitsseil oder auch eine Doppellonge ggf. die bessere Wahl.
Die Erarbeitung von Lektionen von der Grundausbildung bis zur Versammlung ist mit der Doppellonge möglich. Die Arbeit mit der Doppellonge kann Stellung und Biegung des Pferdes verbessern, wird zum Muskelaufbau eingesetzt und fördert Aufmerksamkeit und Konzentration. Durch die äußere Begrenzung ist eine präzisere Einwirkung möglich. Auch bei der Dressurarbeit wird die Doppellonge, zum Beispiel beim Erlernen von Piaffe und Passage, angewendet. Die Doppellonge hat eine Länge von 16 bis 18m und wird meist in Kombination mit einem Longiergurt und einem Kappzaum verwendet. Da ihre Handhabung anspruchsvoller ist, als die der klassischen Longe, sollte ihr Anwender schon Erfahrung beim Longieren haben. Auch das Pferd sollte die Arbeit an der Longe bereits gut kennen, um an das Training mit der Doppellonge herangeführt zu werden.
Ein Bodenarbeitsstick kann eine wertvolle Unterstützung beim Training mit dem Pferd sein. Er wirkt wie ein verlängerter Arm und ermöglicht so eine präzise Hilfengebung. Mit dem Bodenarbeitsstick können Signale zum Begrenzen, Weichen, Anleiten, Unterstützen und Dirigieren punktgenau gesetzt werden. Der auch Carrotstick genannte Kontaktstock kommt mit oder ohne Schlag daher – der Schlag dient dabei selbstverständlich nicht zum Schlagen des Pferdes, sondern ermöglicht eine federleichte Hilfengebung innerhalb des Trainings oder eine sanfte Berührung, um das Vertrauen des Pferdes zu steigern. Kurzum: Für erfahrene Bodenarbeiter und Bodenarbeiterinnen ist der Carrotstick ein hervorragendes Kommunikationsmittel. Im Horsemanship oder auch beim Training nach Pirelli ist der Stick erfreut er sich großer Beliebtheit.
Handschuhe sind bei der Bodenarbeit mit dem Pferd unentbehrlich. Sie sorgen nicht nur für frostfreie Finger im Winter, sondern dienen hauptsächlich dem Schutz: Plötzliche Bewegungen des Pferdes am Strick oder der Longe oder Zug können ohne Handschuhe zu schweren Verletzungen führen. Auf die Verwendung von rutschfesten Reithandschuhen aus Leder oder Stoff sollte daher bei der Arbeit im Roundpen, in der Halle oder auf dem Platz keinesfalls verzichtet werden!
Pferdemenschen kennen das: Ein fressbares Dankeschön versteht das Pferd am besten. Bei der Bodenarbeit können Pferdeleckerlies eingesetzt werden, um den Vierbeiner im richtigen Moment zu belohnen und zu motivieren. Da die meisten Pferde für Fressen alles tun, lernen sie beim Einsatz von Leckerlies als Belohnung häufig auch besonders schnell und begeistert. Die Leckerligabe sollte stets mit lobenden Worten oder einer kurzen Streicheleinheit verbunden werden – so lernt das Pferd zu verstehen, dass es etwas gut gemacht hat. Auch, falls mal kein Leckerli zur Hand sein sollte. Aufgrund ihrer Handlichkeit haben Pferdeleckerli gegenüber Möhren & Co. auf dem Platz oder im Roundpen einen klaren Vorteil. Wer sie großzügig einsetzt, sollte sie allerdings mit in die tägliche Futterration einberechnen – auch Leckerli haben Kalorien!
Für sensible Pferde eignen sich getreidefreie Leckerlies, Pferdeleckerli ohne Zucker und mit niedrigem Stärkeanteil am besten. Und weil Geschmäcker verschieden sind, findet sich eine Vielzahl von Geschmacksrichtungen auf dem Markt – von A wie Apfel bis Z wie Zimt.